Ein paar Zahlen und Fakten zum Hadrian's Wall. Die rund 122km lange Mauer verläuft südlich der heutigen schottisch-englischen Grenze von der Westküste (in Carlisle) bis zur Ostküste (in Newcastle). Sie wurde im Jahr 122 (deshalb die Busnummer) vom Kaiser Hadrian in Auftrag gegeben. Die Mauer war (angeblich) zwischen fünf und sechseinhalb Metern hoch und drei Meter breit. An vielen Stellen hat man die Breite allerdings wahrscheinlich aus Zeit- und Materialgründen auf zwei Meter reduziert. Heute ist die Mauer noch höchstens knapp mannshoch und an vielen Stellen überhaupt nicht mehr zu sehen. Die Römer errichteten sogenannte "milecastles," die im Abstand von einer Meile (was du nicht sagst) am Wall aufgebaut und der Truppenunterstützung dienten. Zwischen zwei milecastles waren immer zwei Wachttürme, sogenannte "turrets" in die Mauer eingebaut, die hauptsächlich der Unterkunft und Kochgelegenheit für die patroulliernden Truppen diente. Ein wenig von der Mauer zurückgezogen wurden in den Jahrzehnten nach dem Bau (anfänglich wurden die Truppen von weiter her beigezogen) Forts errichtet, die gut 1000 Soldaten Platz baten und um die in der Folge auch Zivilsiedlungen entstanden. Die etlichen Tore in der Mauer zeugen davon, dass die Mauer nicht nur defensive Zwecke hatte, sondern auch als Kontrollpunkt für "Grenzgänger" gebraucht wurde, an dem man Zölle von der lokalen Bevölkerung, mitten durch deren Schafweiden die Mauer teilweise verlief, einfordern konnte. Nach heutigen Schätzungen hätte ein solches Bauwerk heute etwa 3 Milliarden Pfund gekostet.
Ich kam also am Samstagnachmittag an und besichtigte dann sogleich das Fort Vindolanda, respektiv, was davon übrig ist. Neben zahlreichen Ruinen, die den Grundriss des Forts in etwa zeichnen, wurden hier sehr wichtige Funde für die Römerforschung gemacht: kleine Holztafeln mit persönlicher Korrespondenz von Soldaten und Vorgesetzten. So findet man zum Beispiel eine Geburtstageinladung oder eine Nachricht im Stile von "Ich schicke dir zwei Paar Unterhosen und drei paar Wollsocken." Man kann sich vorstellen, wie wichtig diese Tafeln also für die Historiker sind. Nach einem friedlichen Abend mit Spaghetti und Lektüre ging ich dann in meinem Viererzimmer, in dem nur noch ein Amerikaner schlief, ins Bett.
Am Sonntagmorgen stand ich früh auf und stellte erst Mal erfreut fest, dass es entgegen den Prognosen nicht regnete. Ich konnte also meine grosse Wanderung in Angriff nehmen. Nach dem englischen Frühstück in der Jugi schleuste ich mich in den Hadrian's Wall Path ein und folgte diesem für den Rest des Tages. Nach etwa einer Stunde erreichte ich das zweite Fort, Housesteads, von dem noch fast der gesamte Grundriss vorhanden ist und wo mich vor allem die Latrinen faszinierten, Gott weiss warum. Vielleicht lag es daran, dass die Römer schon eine Spülung hatten, während die Menschen 1500 Jahre später ihre Fäkalien auf die Strasse warfen.
Nachdem ich mich für etwa eine Stunde im Fort umgesehen hatte, nahm ich den Weg wieder unter die Füsse und marschierte mehr oder weniger durch, bis ich in den Überresten eines kleinen Mithras-Tempels zu Mittag ass. Sehr stilecht, in einem bald 2000 Jahre alten Tempel Chips zu essen... Nach der Mittagspause liess dann meine Euphorie über den Hadrian's Wall ein wenig nach, da dieser sich fortan hauptsächlich unter Grund, sprich nicht, zeigte. Gleichzeitig wurde der Weg nach dem anfänglichen abwechlsungsreichen Auf und Ab nun flach, was auch nichts weiter zur Vielfalt beitrug. Mein Ziel vor Augen stampfte ich aber weiter und erreichte etwa vier Stunden bevor ich damit gerechnet hatte den Endpunkt meiner Wanderung, Chesters, das dritte Fort, das ich besichtigte. Besonders faszinierend fand ich hier die Bäderanlage, die mit Heiss- und Kaltbädern und -räumen voll ausgestattet war. Ebenfalls sehr beeindruckt hat mich das nur logische, aber dennoch geniale System des Wasserflusses, der, bevor er entsorgt, noch durch die Latrinen geleitet wurde und somit die ganze Anlage sauber hielt. Diese zwei Tage haben mir nur wieder vor Augen geführt, weshalb die Römer eine solche Faszination ausüben.
Den Rest des Nachmittags und den Abend verbrachte ich kochend, essend und lesen in der Jugi.
Am Montagmorgen, den ich ja dank Feiertags frei hatte, brachte mich der Bus nach Newcastle am andern Ende des Hadrian's Walls (von dem ich aber nichts mehr sehen sollte). Newcastle ist vor allem für seine sieben Brücken über den River Tyne und seine von Norman Foster gestaltete Veranstaltungshalle bekannt, was bei deren Anblick nur verständlich ist. Sehr originell ist die Millenium Bridge, eine Fussgängerbrücke, die in einem horizontal liegenden Bogen über den Fluss verläuft, den man einfach vertikal aufziehen kann, wenn ein grosses Schiff untendurch muss. Einfach, aber genial. Wie die Latrinen der Römer (gut, ich höre jetzt auf damit). Meine ein bisschen zu grosszügig eingeplante Zeit verbrachte ich mit einem ausgedehnte Stadtrundgang, einem Spaziergang dem Flussufer entlang und einem Besuch von The Baltic, einem Ausstellungsraum für moderne Kunst, der, wie das Tate Modern in London, in einem alten Fabrikgebäude eingerichtet ist und das ebenfalls eine grossartige Aussicht auf die Foster-Halle und die Brücken bietet. Darin gab es eine faszinierende Ausstellung einer schwedischen Künstlerin, die mich fast zu eigenem künsterlischem Schaffen anregte. Sarah Sze heisst die Dame, wer sie googeln möchte.
Um fünf machte dann quasi die ganze Stadt zu, weil ja eben ein Feiertag war, und so verbrachte ich die letzten zwei Stunden, bis mein Zug fuhr, mit weiterer Lektüre in einem Café im Bahnhof.
Fotos hier.
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